Spielend und eigeninitiativ lernen
Maria
Montessori gefiel es nicht, wenn Schüler in ein Konzept gespresst wurden und
streng nach den Regeln lernen mussten, die sich kluge Köpfe für den Lehrplan
ausgedacht hatten. Sie war überzeugt, dass in jedem Menschen ein eigener
Lehrplan eingeschrieben sei. Dem müsse Rechnung getragen werden. Nach der
Montessori-Pädagogik lernen Schüler selbstbestimmt und nach eigenem Tempo. Sie
entscheiden, womit sie sich in der Freiarbeit beschäftigen wollen, der Lehrer
unterstützt sie nur. Klingt nach Laissez faire, ist es aber nicht. Hinter der
Montessori-Pädagogik steht eine kluge Kombination aus Freiheit und Anleitung.
Nach Montessori sollen sich Schüler frei entfalten und schnell selbständig
werden. Montessori erkannte, dass Kinder, die aus eigenem Antrieb arbeiten,
besonders gut und konzentriert lernen - und Kindern von gewöhnlichen Schulen
voraus sind.
Montessori-Pädagogik
- die Philosophie
Für die Ärztin
Maria Montessori steht zu Beginn des 20. Jahrhunderts fest: Das Kind hat eine
eigene Individualität, die sich zu einem selbständigen und unabhängigen
Menschen entwickeln will. Nicht der Erzieher weiß, was gut für den Schüler ist,
sondern der Schüler selbst.
Nach Montessori
trägt jeder Mensch schon einen Plan für die persönliche Entwicklung in sich. Er
braucht nur Hilfen zur Selbstentwicklung. Nach konventionellen
Unterrichtsmethoden würden die Kinder in ihrem Plan gestört, meint Montessori.
Fehlentwicklungen und Aggressionen könnten die Folge sein. Montessoris
Grundsatz dagegen lautet: „Hilf mir, es selbst zu tun.“
In der
Freiarbeit, die die Montessori-Pädagogik kennzeichnet, entscheiden die Schüler,
ob sie in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit rechnen, schreiben oder sich
lieber mit Geschichte oder Erdkunde beschäftigen wollen. Auch die
Arbeitsmaterialien suchen die Kinder selbst aus. Zur Verfügung stehen Würfel,
Perlen, rote Stäbe zum Rechnen, eine Waage, Wortsetzkästchen und Ähnliches. Die
Kinder
helfen einander
und kontrollieren ihre Ergebnisse selbst. Die Lösungen liegen den
Arbeitsmaterialien bei. Der Lehrer schreitet nur ein, wenn ein Schüler Hilfe
braucht.
In den übrigen
Stunden findet konventioneller Unterricht statt, der sich nach dem offiziellen
Lehrplan richtet. Noten gibt es nur im letzten Grundschuljahr. Das steht der
Montessori-Pädagogik zwar entgegen, ist aber wichtig, wenn es um den Übertritt
in eine gewöhnliche weiterführende Schule geht. Neun- und Zehnjährige bekommen
zusätzlichen Unterricht zur Vorbereitung. Das Wissen fragen die Lehrer in Tests
ab und vergeben Noten.
Grundsätzlich
hält sich der Lehrer einer Montessori-Schule im Hintergrund. Er stellt die
Aufgaben, über die Ausführung entscheidet das Kind. Nach Montessori weiß nicht
der Lehrer, was dem Kind gut tut, sondern das Kind selbst. Was für das
jeweilige Kind gerade richtig ist, hängt von der Entwicklungsphase ab und zeigt
sich an seinem Interesse für eine Sache.
Montessori
spricht von "sensiblen Perioden", in denen ein Kind besonders
aufmerksam und bereit ist, sich bestimmte Fähigkeiten oder ein bestimmtes
Wissen anzueignen. Der Schüler beschäftigt sich dann von ganz allein mit einer
Sache, und zwar höchst konzentriert, wie folgendes Beispiel aus Montessoris
Schulalltag verdeutlicht: Montessori beobachtet ein Mädchen, das ganz versunken
mit einem Holzzylinder spielt. Es bemerkt gar nicht, dass sie jemand samt Stuhl
hochhebt. Montessori nennt das "Polarisation der
Aufmerksamkeit".
Die Gründerin - Ärztin, Pädagogin, Star der Emanzipation
Maria
Montessori ist ihrer Zeit voraus. Die 1870 in Ancona Geborene hat als erste
Frau Italiens Medizin studiert und darin promoviert. Sie gilt als Star der
Frauenbewegung und setzt sich für sozialen Fortschritt ein - insbesondere an
Schulen und Kindergärten. Als junge Ärztin arbeitet Montessori in einer
psychiatrischen Universitätsklinik in Rom mit geistig behinderten Kindern. Hier
vollzieht sich ein Wandel von der Medizin zur Pädagogik. Die Ärztin beobachtet,
dass nicht Medizin geistig behinderten Kindern hilft, sondern Pädagogik.
Montessori
liest Bücher der französischen Ärzte Edouard Séguin und Jean-Marie Itard. Beide
haben Materialien entwickelt, die die Behinderungen von Kindern kompensieren
sollen. Montessori kommt zu der Erkenntnis, dass die sinnliche Wahrnehmung
durch spezielle Übungen angeregt werden müsse und überträgt diese
Erziehungsmethode auf das Kinderhaus „Casa die Bambini“, das 1907 im
Armenviertel Roms eröffnet hat und dessen Leitung Montessori für zwei Jahre
übernimmt. Die Materialien der französischen Ärzte entwickelt sie weiter.
Montessori stellt fest, dass Kinder sehr konzentriert arbeiten können und
schnell lernen, wenn sie eigeninitiativ sein dürfen.
Außerdem
beobachtet die Ärztin, dass geistig behinderte Kinder den Schülern von
gewöhnlichen Schulen bei Intelligenzprüfungen überlegen sind. Montessori
folgert daraus, dass die andere Methode auch für Gesunde gut sein und die
Pädagogik samt Erziehung und Arbeitsmaterialien neu konzipiert werden müsse.
Wie sich Babys
je nach Entwicklungsphase aus eigenem Antrieb die Beschäftigung suchen, die sie
gerade interessiert und bei der sie etwas Neues lernen, so lernen Kinder laut
Montessori auch später noch. Das Kind als Individuum steht bei ihr im
Mittelpunkt.
Nazis verbieten Montessori-Schulen - Montessori macht
trotzdem weiter
Als Montessori
das Kinderhaus nach zwei Jahren verlässt, macht sie ihre neue Erziehungstheorie
bekannt. Sie unterrichtet viele Jungen und Mädchen nach ihrer neuen Strategie.
1909 veröffentlicht sie ihr erstes Buch, weitere Bücher und Artikel folgen.
Außerdem hält Montessori Vorträge und gibt Kurse über ihre Pädagogik - bis ins
hohe Alter und in vielen Ländern. Allein in Indien, wo Montessori nach Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges sieben Jahre lebt, bildet sie über 1000 Lehrer aus.
Während der Zeit des Nationalsozialismus sind Montessori-Einrichtungen
verboten. Danach entstehen in vielen Ländern der Welt bald viele Schulen nach
ihrem Vorbild. Maria Montessori stirbt am 6. Mai 1952 in Noordwijk aan Zee.
Montessori-Pädagogik - die Schulen heute
In Deutschland
arbeiten rund 1000, meist private Schulen und Kitas nach der Montessori-Pädagogik,
Kindertagestätten gibt es rund 600. Bei Montessori-Schulen handelt es sich
nicht mehr bloß um Grundschulen, sondern auch um Fachoberschulen und Gymnasien.
Vor allem in Bayern sind Schulen verbreitet, die nach der Montessori-Pädagogik
arbeiten. Rund 8000 bayerische Kinder und Jugendliche besuchen eine
solche Schule. In Norddeutschland gibt es relativ wenige.
Jedes Kind kann
heute eine Montessori-Schule besuchen, wenn es die erforderliche Schulreife
besitzt. Vor allem aber müssen die Eltern bereit sein, den finanziellen
Mehraufwand zu leisten und sich darüber hinaus stärker als an den Regelschulen
für die Einrichtung zu engagieren. Die Höhe des Schulgeldes ist von Schule zu
Schule verschieden. Manche Schulen haben feste Sätze, andere richten sich nach dem
Einkommen der Eltern. In der Regel überschreitet der monatliche Satz die
200-Marke nicht.
Von Dorothea Schmidt, wissen.de
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